Wirtschaftsspiegel Thüringen - Ausgabe 3/2020

Automotive/Logistik 23 Im Laufe der letzten Jahre ist das Mo- bilitäts- und Verkehrsaufkommen ge- stiegen. In diesem Zusammenhang ha- ben sich aber auch die individuellen Mobilitätsbedürfnisse verändert. Als Beispiel nennen die Autoren den An- satz, dass bei jungen Erwachsenen in den Ballungsräumen häufig „Nutzen vor Besitzen“ steht. Dieses reine Nutzungs- denken befördert vor allem Mobilitäts- angebote wie Sharing-Modelle oder neue Formen der Elektromobilität. Im Fokus stehen für die Energieversor- gungsunternehmen Geschäftsbereiche wie die Ladeinfrastruktur, Carsharing- Modelle, Contracting, Verkehrskonzepte, Sektorenkopplung und Kooperations- potenziale mit anderen Akteuren. Um diese Geschäftsbereiche wirtschaftlich erfolgreich betreiben zu können, sind laut der Studie Partnerschaften mit an- deren Wirtschaftsunternehmen zwin- gend notwendig. Grundsätzlich erscheinen diese poten- ziellen neuen Geschäftsmodelle als Chance der Erschließung neuer Märkte für Energieversorger. Jedoch sind sich die Experten der Delphi-Befragung ei- nig, dass dieser Chance diverse Hemm- nisse gegenüber stehen. Im Wesentli- chen sind dies unternehmensinterne Hemmnisse (Unternehmenskultur, Pro- zesse, Ressourcen, Personal, Know-how), Kosten-Nutzen-Relationen respektive die Wirtschaftlichkeit neuer Geschäfts- felder und die ordnungspolitischen / rechtlichen Rahmenbedingungen. Um diesen nicht unbedeutenden Hemmnissen entgegenzuwirken, sollten vor allem Kooperationslösungen in den Vordergrund gerückt und als Ziel ange- strebt werden. Als Kooperationspartner kommen für Energieversorger beispiels- weise Hersteller von Ladestationen und Energiespeichersystemen, Wohnungs- unternehmen, Mietfahrzeug- bezie- hungsweise Sharing-Anbieter, andere Energieversorgungsunternehmen, aber in größerem Umfang auch branchen- spezifische Start-ups, Verkehrs- und IT- Unternehmen sowie Forschungseinrich- tungen in Frage. In der Zusammenfassung wird resü- miert, dass die urbane Mobilität – insbe- sondere die Elektromobilität – trotz al- ler Hemmnisse als Chance angesehen werden kann, neue Mobilitätsansätze voranzutreiben und zu befördern, die für Energieversorgungsunternehmen als neue Geschäftsmodelle etabliert wer- den können. Ob dies allerdings ausrei- chend ist, um die Mobilitätswende mit der Elektromobilität als einen wesentli- chen Baustein und die zunehmenden, individuellen Mobilitätsbedürfnisse zu erreichen, bleibt laut Einschätzung der Autoren abzuwarten. Die gesamte Delphi-Befragung und Veröffentlichung der Studienergebnisse erfolgten in der Zeit vor der Corona- Pandemie. Somit konnten die Auswir- kungen der Corona-Krise nicht berück- sichtigt werden. Allerdings sind auch die oben genann- ten Geschäftsbereiche von den Auswir- kungen der Pandemie betroffen. Die Verkehrsstraßen waren während des Lockdowns nahezu autofrei, bedingt durch Ausgangsverbote und Arbeit im Homeoffice. Dadurch sind auch Car- sharing-Modelle derzeit nicht beson- ders attraktiv für Nutzer. Dazu kommt die Frage, inwieweit die Carsharing-Anbieter die neuen Hygie- nestandards umsetzen können. Private und geliehene Personenkraftwagen werden tendenziell eher stehen gelas- sen. Aber auch der Öffentliche Perso- nennahverkehr erlebt derzeit Million- enverluste – bedingt durch Ausgangs- sperren, Abstandsregelungen und der Angst vor Ansteckungen. Viele Menschen sind daher auf das Fahrrad als risikoärmeres Verkehrsmit- tel umgestiegen. Auch spielen hierbei das fast sommerliche Wetter und der stetige Ausbau von Radfahrstreifen in Großstädten eine Rolle. Das zeigt, dass sich die urbane Mobilität innerhalb der Krise noch einmal verän- dert hat. Dadurch ist es aktuell für Energieversorgungsunternehmen noch schwerer, die angestrebten neuen Ge- schäftsmodelle im Bereich der Mobilität zu etablieren. Es ist zu konstatieren, dass die Energie- versorgungsunternehmen in ihrem möglichen Geschäftsbereich Mobilität bereits vor der Corona-Pandemie vor großen Herausforderungen im Hinblick auf die notwendige Erschließung neuer Geschäftsmodelle standen. Die Corona- Pandemie ist als zusätzliches Problem- feld hinzugekommen, da sich die indivi- duellen Mobilitätsbedürfnisse der Be- völkerung erneut verändert haben. Die Corona-Pandemie hat nicht nur ge- zeigt, wie sehr eine solche Krise das ge- samte Wirtschaftsgefüge eines Landes zu gefährden vermag. Sie zeigt auch, wie wichtig das Vorantreiben der Digi- talisierung –und in diesem Zusammen- hang vor allem der Breitbandausbau – sowie smarter Lösungen eben auch im Mobilitätsbereich, ist. Energieversor- gungsunternehmen sind daher gut be- raten, künftig besonderen Wert auf nachhaltige Geschäftsmodelle mit ei- nem gesellschaftsrelevanten Ansatz zu legen. (acs)

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